2006 war ich in China unterwegs. Ich hatte mein Skateboard dabei und habe das Land auch auf dem Brett erkundet, was mir eine ganz andere Perspektive auf Land und Leute eröffnet hat. Am Ende dieser Reise war ich dann in dem größten Skatepark der Welt, dem SMP Skatepark in Shanghai. Den nachfolgenden Artikel hatte ich ursprünglich für ein Skatemagazin geschrieben. Ihr könnt ihn jetzt hier genießen:
Skaten in China
Da ich gerade Sinologie studiere, habe ich mir gedacht, ich muss mir das Ganze mal vor Ort angucken. Also habe ich meine Ersparnisse zusammengekratzt einen Flug gebucht, und los ging’s. Das geht ja am Ende doch einfacher als man sich so denkt. Und wie immer beim Reisen hatte ich mein Skateboard dabei. Zwar bin ich dann doch nicht so oft geskatet, wie früher (man wird halt älter), aber an mangelnden Spots hat es nicht gelegen.Die chinesischen Städte sind endlose Betonwüsten. Und durch die boomende Wirtschaft gibt es auch gute Spots in Hülle und Fülle. Vor allem Marmorcurbs und –ledges gibt’s wie Sand am Meer.
Sehr angenehm sind auch die Skater, die man trifft. Die Skateszene ist noch sehr jung und klein. Alle die ich getroffen habe, sind erst seit höchstens 2 Jahren geskatet. Das Niveau ist auch nicht sehr hoch, was allerdings auch niemanden weiter interessiert. Hier geht es noch darum, zusammen Spaß zu haben. So soll es sein! Jeder der skatet gehört hier dazu. So habe ich auch erstaunlich viele weibliche Skater getroffen.
Mein erster Stopp war Beijing, wo es einen schönen Spot an einer Kirche an der Wangfujing-Strasse gibt. Da sind auch jeden Tag Andere die skaten. Es gibt 5er Stufen, eine schöne lange Marmorledge an 4er Stufen und noch ein paar Curbs.
Als nächstes ging es nach Chengdu. Hier gab es, als ich da war, nur ganz wenige Skater (angeblich 2), von denen ich leider keinen getroffen habe. Das könnte sich allerdings bald ändern, denn Chengdu hat mittlerweile auch einen kleinen Skatepark aus Beton. Er befindet sich auf der Südseite der Panda-Mall und hat neben einer kleinen Halfpipe einen Streetparcour, der gar nicht schlecht aussah. Ein weiterer schöner Spot ist südlich vom „Peoples stadium“, nicht weit von dem Skatepark. Hier gibt es ein paar Marmorcurbs, die an der Seite schräg sind, so dass man schön Wallrides dran machen kann.
In Kunming war ich leider nur einen Tag, dafür war’s aber schön da. Zuerst bin ich zufällig über einen kleinen Metall-Skatepark aus selbst zusammengeschweißten Rampen gestolpert. Das war zwar nichts Besonderes, aber ich war echt froh mal wieder einfach nur ein Flatrail und Curb zu fahren. Nach einer Session mit den netten Locals bin ich noch Streetskaten gegangen. Und das war so gut! So viele gute Spots so nah beieinander habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Nachdem ich ein paar Super-Marmorcurbs gefahren bin, bin ich einfach weitergecruist und schon gleich zu einer schönen 3-er Stufen Marmorledge gekommen, an der ich auch gleich viel Spaß hatte. Sehr schnell hat sich eine große Menschenmenge gebildet und mir beim Skaten zugeguckt. Das ist klasse in China. Man hat soo schnell soo viele Zuschauer. Und sie finden Skaten großartig. Die meisten Leute freuen sich und lachen, manche klatschen sogar. Nach so 10-15 Minuten ist dann ein Securityguard gekommen und hat mich weggeschickt. Das war mir in diesem Fall allerdings mal total egal. Ich hatte eh alle Tricks an der Ledge gemacht und bin einfach ein paar Meter weiter und hab die nächsten Marmorcurbs geskatet. Kein Problem bei so vielen Spots… 🙂
Skaten in Tibet
Inspiriert von dem Mongolei-Tour Artikel in einem Skate-Magazin, habe ich mir gedacht, überall auf der Welt kann man Skaten, also sicher auch in Tibet. So war dann mein nächster Spot Tibet. Und tatsächlich. In den beiden größten Städten, Lhasa und Shigatse gibt es Einiges zum Skaten. Neben dem Tiananmenplatz beim Pottalapalast gibt es zum Beispiel einen kleinen Park, der ein guter Spot ist. Es gibt viele Ledges und Manualpads, ein paar Flatrails und Bänke aus poliertem Marmor. Und meistens chillen da Tibeter, die total nett sind, einen gleich einladen sich zu ihnen zu setzen und einem gleich Essen und Trinken anbieten. Die können oft weder Englisch noch Chinesisch, aber mit Händen und Füßen kann man sich ja immer verständigen…Die meisten Tibeter sind so lebensfrohe und glückliche Menschen, das macht einfach nur Spaß in deren Gegenwart.
Ansonsten habe ich noch total viele Spots in der Stadt gesehen. So habe ich sogar in Shigatse, der zweitgrößten Stadt Tibets, einen Platz gefunden wo man super skaten kann. Geskatet bin ich da zwar leider nicht, aber es sah echt gut aus. Zu finden ist es gegenüber dem Eingang zum Tashilunpo Kloster. Und neben ein paar Skatespots und wunderbaren Menschen gibt es in Tibet natürlich noch die atemberaubend schöne Natur…
Auf mein Skaten haben die Leute unterschiedlich reagiert. Ich war wahrscheinlich der erste Skater überhaupt in Tibet. Manche haben mich angestarrt wie ein Alien, andere haben mich etwas ängstlich angeschaut, aber die meisten waren total begeistert und fasziniert.
Shanghai Showdown 2006
In Shanghai gibt es den größten Skatepark der Welt. Und er ist groß!! Gerade als ich da war, hat dort der „Shanghai Showdown 2006“ stattgefunden. Eins von diesen großen kommerziellen Events mit vielen großen Namen, wie Matt Hoffman, Bucky Lasek, usw.… Einen Tag vor Contestbeginn bin ich schon mal zum Skatepark gefahren um mir das ganze mal anzugucken. Am Eingang haben mir Security-Typen den Eintritt verwehrt, war aber kein Problem, da das Tor an der Rückseite eine große Lücke hatte. Ich also rein und konnte es erstmal gar nicht fassen.
Der Park ist gigantisch! Es war wie Weinachten mit ganz vielen Geschenken. Ein Super-Pool neben dem anderen. Und dann immer noch einer und noch einer und noch was. Insgesamt glaube ich 7 Pools die zum Teil miteinander verbunden sind. Ich habe immer wieder was Neues entdeckt. Die Pools gibt es in ganz verschiedenen Tiefen und Formen, dazu noch 4 oder 5 Cradles und eine Fullpipe mit Cradle. Neben der riesigen Poolfläche gibt es noch die längste Halfpipe der Welt (50m). Und dann noch einen riesigen Streetparcour: Eine große, normale Betonstreetparkfläche, eine aus Metall und dann noch so einen real street-parcour mit Marmorcurbs, -Ledges und Stufen. Beim Bau hat es echt nicht an Geld gefehlt. Der ganze Park hat auch sage und schreibe 12 Millionen Dollar gekostet.
Nachdem ich das Ganze eine Weile geskatet bin und meinen ersten Heißhunger etwas gestillt hatte, konnte ich netterweise im Shuttlebus vom Contest mit in die Innenstadt fahren. Da wurden die ganzen Fahrer, und Mediatypen und Organisatoren zu ihrem Luxushotel gefahren. Das war echt interessant. Ich habe viele Insiderstorys zu hören bekommen. Allerdings wusste ich nie so genau über wen das war, weil sie nur Vor- und Spitznamen benutzt haben. Man konnte richtig den Luxus spüren, in dem sie alle gelebt haben.
Am nächsten Morgen bin ich wieder so um halb elf am Skatepark eingetroffen. Schon gleich wurde mein Taxi von verzweifelten zwielichten Ticketverkäufern gestürmt, die mir alle Tickets verkaufen wollten, und offenbar noch viel zu viele auf Lager hatten. Manche sind sogar meinem Taxi hinterher gerannt und haben die Tickets ins offene Fenster geworfen, um sie mir zu viel zu hohen Preisen anzudrehen. Die Tickets haben offiziell 480 oder 180 Yuan gekostet. Ich habe dann, nach langem Feilschen, einem zwielichtigen Typ ein 480 Yuan-Ticket für 150 Yuan abgekauft. Er hat mir allerdings einen falschen 50er zurückgegeben. Mit so was hab ich schon gerechnet, hab dann allerdings nicht genug aufgepasst… Drinnen war dann schon der Amateurcontest in vollem Gange. Das Niveau war gar nicht schlecht. Die Highlights waren u.a. ein Kickflip Frontside Boardslide an einem Rail, bs nollie bigspins am London Gap und schöne 360 Flips über die Funbox.
Danach gab es erst mal den BMX-Amateurcontest. Das ganze habe ich mir allerdings gespart. Ich habe mich lieber in die Bowlarea geschlichen um hautnah vom Geschehen dort berichten zu können. Da waren auch ein paar nette Typen, die das Herz des Parks, die Fullpipe mit Cradle, geskatet sind. Von einem kleinen Ashtray geht es um die Kurve in die Tiefe. Und es ist echt tief! Das Teil ist wie eine Achterbahn. Wie ich später rausgefunden habe waren das Sandro Diaz, Rune Glifberg, Pierre-Luc-Gangnon, etc. Und die konnten das Teil auch fahren. Mein Held des Tages war Sandro Diaz. Er hat schöne Laybackslides im Vert der Fullpipe gemacht und war einfach ein echt cooler Typ. Dann konnte ich es nicht lassen und bin selbst noch ein bisschen rumgecruist. Soooo gut! Das ganze wurde von Leuten gebaut, die echt was davon verstehen (Convic aus Australien). Trotz voll dem üblen Flatspot konnte ich doch noch richtig gut in den Pools rumcarven.
Irgendwann war dann der BMX-Pro-Streetcontest, mit u. a. Matt Hoffman. War mal interessant zu sehen. Danach war der Skateboarding-Pro-Street-„Contest“ an der Reihe. Mit Willy Santos, Chris Senn, Dayne Brummet und Josh Evin. Das Ganze hatte aber eher mehr Democharackter. Bei einem Contest mit 4 Startern ist aber auch nicht viel mehr zu erwarten.
Am meisten abgegangen ist dabei Dayne Brummet, welcher auch den Contest gewonnen hat. Er hat viele gute Tricks gemacht, wie den ersten 50-50 an der großen Ledge, schöne Bs Nosegrind Transfers am Funboxrail, Bs Lipslides am großen Handrail und noch viele andere Sachen.
Josh Evin ist gut abgegangen. Er hat viele Airs gemacht, einmal auch einen Fs Grab Transfer aus der Quarterpipe in eine recht weit entfernte Bank, hohe Kickflip Melon Grab Alley Oops (eins der Highlights) und natürlich noch viele andere Sachen.
Chris Senn hatte wohl kein Bock oder hat nicht viel von dem Ganzen gehalten. Auf jeden Fall hat er zweimal sein Board auf den Judgetable geschleudert. Und als einer seiner Runs nicht geklappt hat, hat er einfach nur noch so Flatlandscheiss gemacht. So Sachen wie sein Board in die Hand 10mal rumgedreht und wieder drauf gesprungen. Einfach klasse! Es hat so gut getan ihm zuzugucken. Er hat richtig Leben in diese ganze Veranstaltung gebracht. Und zum Teil hat er schon richtig krasse Sachen gemacht. Zum Beispiel Transfer Bs Disaster von der Quarterpipe auf den Wallride, Feeble-Grind am Handrail, Transfer Fs 5-0 am am Funboxcurb und ganz lockere Doupleflips über die Hip.
Für Willy Santos war es wohl einfach nicht sein Tag. Dafür hat er schöne, sehr konsistente Kickflip Bs Wallrides gemacht. Und dann Kickflip Wallride to fakie und Ollie Nosepicks am Wallride.
Der Amatuercontest mit den chinesischen Locals war sehr schön anzusehen. Sie hatten einen ganz eigenen Style und machten ihre Trickse sehr dynamisch und stylisch.
Nach dem Contest gab es dann eine Scooterdemo mit ein paar Schweizern. Mit diesen Kickrollern haben die Airs gemacht, manchmal auch richtig hoch und mit Tailwhips und dann haben sie die Handrails gegrindet.
Später gab es noch den Halfpipe-Vert-Contest. Teilgenommen haben Sandro Diaz, Rune Glifberg, Pierre-Luc Gagnon, Neal Hendrix und Bucky Lasek. Am meisten hat mich Sandro Diaz beeindruckt, welcher so hohe Airs gemacht hat und anderem mit 540° (so hoch!) und mit verschiedenen Fliptricks und das Ganze mit einem total schönen Style. Er hat dann auch gewonnen. Zweiter wurde Bucky mit Mc Twist über den Channel. Die anderen waren auch echt gut, zum Beispiel Rune Glifberg mit soo hohen Fs Indy Nosebone. Aber ich will euch ja jetzt nicht mit endlosen Trickbeschreibungen langweilen.
Beim Best-Trick Contest hatte ich dann irgendwann kein Bock mehr zuzugucken und bin lieber selber noch geskatet. Das ist ja noch immer das Beste. Dann wurde es mir allerdings zu heiß und alles zu lang. So habe ich mir die Siegerehrung gespart, und bin diesmal mit einem Motorradtaxi zur Bahnstation, wo ich mal wieder froh war, dass ich dann doch noch lebend angekommen bin… Für mich war es das erste Event dieser Größenordnung bei dem ich war. Und es war schon so wie ich es mir vorgestellt habe. Die Stimmung war nicht wirklich aufregend oder leidenschaftlich. Dafür war aber die Poolsession mit Sandro Diaz & Co. ein echt tolles Erlebnis. Und einfach nur den Skatepark zu skaten ist schon eine Reise wert.
Ergebnisse Contest:
1. Dayne Brummet
2. Josh Evin
3. Chris Senn
4. Will Santos
Best Trick:
1. Dayne Brummet
2. Chris Senn
3. Willy Santos
4. Josh Evin
Ergebnisse Half Pipe:
1. Sandro Dias
2. Bucky Lasek
3. Neal Hendrix
4. Pierre-Luc Gagnon
5. Rune Glifberg
Best Trick Halfpipe:
1. Bucky Lasek (Nollie Flip Slob Grab Transfer über den Roll-In)
2. Neal Hendrix
3. Pierre-Luc Gagnon
4. Rune Glifberg
5. Sandro Dias
Der SMP-Skatepark in Shanghai
Der Park
13.700m² groß; 4500m² Pools z.T. mit Granit-Pool-Coping, 2 Vert-Ramps, riesen Street-Fläche usw…und das Beste: Da der Park so riesig ist und es in China nur ganz wenige Skater gibt, hat man den Park praktisch für sich alleine!
Wie man hinkommt:
Mit der metro line 3 bis zum Ende, nach Jiangwan Town (江湾城) fahren. Und dort ein Taxifahrer suchen der etwas mit dieser Adresse anfangen kann: 2100 SongHu Road, Skatepark(淞沪路2100号,SMP极限运动主题公园). Manchmal muss man erst ein paar fragen, aber einer kennt es immer. Das ganze sollte nicht mehr als 17-20 Yuan kosten. Die chinesischen Zeichen sind dabei wichtig, weil Englisch fast Niemand versteht. Von außen kann man den Skatepark selbst nicht sehen. Einfach nach einem silbernen, modernen Gebäude Ausschau halten, da steht glaube ich auch irgendwas mit Sport dran, ist auf jeden Fall nicht so schwer zu finden. In China klappt das immer! Auf der Seite des Parks gibt es auch eine Karte.
Kosten:
Ein Flug nach Shanghai kriegt man ca. ab 600 Euro. In einem Hostel kostet eine Nacht ab 50 Yuan (ca. 7 Euro) und Essen bekommt relativ günstig, wobei die Preise in letzter Zeit auch anziehen. Der Eintritt in den Skatepark ist frei. Vor Ort kann man sich Pads und Helme und sogar Skateboards mieten.
(Stand 2006: Viel hat sich nicht geändert, aber es ist definitiv teurer geworden.)